Wenn ich Schalker in die Presse schau‘

Ich mag die Sport-Bild nicht. Sie wird aber gelesen. Deswegen setze ich mich heute mit einem Kommentar auseinander, den Jochen Coenen, Mitglied der Chefredaktion, zur Lage der Schalker Nation in die heutige Ausgabe hingerotzt in der heutigen Ausgabe veröffentlicht hat.

Selbst für Bild-Verhältnisse enthält dieser Kommentar unfaßbar viel dummes Zeug. Oder ist diese Einlassung, veröffentlich unter der Rubrik „Meine Meinung“, vielmehr als Glosse zu lesen? Auch in einer Glosse sollte sich der Autor an die Fakten halten. Was nicht geschieht.

Online ist der Artikel nicht verfügbar. Eine gescannte Version findet sich am Ende dieses Eintrags.

Schalker Fans sind selbst schuld, daß sie von ihren Stars beschimpft werden!

Wenigstens in der Gehaltstabelle liegt Schalke auf Champions-League-Kurs – Platz zwei! … Das frühe Aus im Uefa-Cup – na und! Der peinliche Pokal-K.o. beim Zweitligisten Mainz – egal! Die Verantwortlichen haben den Stars Millionen garantiert – unabhängig davon, wie schlecht sie kicken. Doch plötztlich regt sich Widerstand. Die Schalke-Fans realisieren gerade, daß auch diese Saison wieder versaut ist, und pfeifen deshalb sogar nach Siegen wie dem 1:0 gegen Köln.

Die Fans „realisieren gerade“, daß die Saison den Bach runtergeht? Wir realisieren das nicht „gerade“. Seit Wochen und Monaten wird die (Nicht)Entwicklung der Mannschaft kritisiert, die Zusammenstellung des Kaders, das sture Festhalten des Trainers am 4-3-3 etc. Vielleicht merkt Herr Coenen gerade erst, was auf Schalke los ist.

Jermaine Jones und Manuel Neuer haben die Fans dafür kritisiert. Jetzt ist der Aufschrei groß: Haben die Anhänger das verdient? Mit Verlaub: Ja! Die Schalker Fans sind selbst schuld, daß sie von ihren Stars beschimpft werden! Viel zu langen waren die Zuschauer viel zu unkritisch auf Schalke.

Man merkt: Der Autor kennt sich überhaupt nicht aus. Unkritische Zuschauer? Auf Schalke? Mag sein, daß Herr Coenen sich auf Schalke und dem Umfeld nicht auskennt. Aber es gibt innerhalb des Bild-Imperiums doch sicherlich Schalke-Spezialisten. Die hätte er fragen können. Und die hätten ihm vermutlich sagen können, daß das Schalker Publikum alles andere als unkritisch ist.

Viel zu lange haben sie so schwachsinnige Aktionen wie den Presseboykott der Spieler sogar unterstützt, obwohl sie dadurch nichts mehr von ihren Lieblingen erfahren haben!

Der Presseboykott war Ende der Hinrunde der Saison 2006/07. Ja, er wurde unterstützt. Es war eine herrliche Zeit. Ich bin da vielleicht eher altvordern, aber mir reicht es, wenn ich die Mannschaft regelmäßig auf dem Platz sehe. Was ich da von meinen „Lieblingen“ erfahre, indem ich ihnen beim Spielen zuschaue, reicht mir in aller Regel. (Und vielen anderen auch.)

Dieser „Vorwurf“ zeigt aber, woher in diesem Kommentar wirklich der Wind weht: Die Spieler hatten durch ihren Boykott insbesondere den Boulevard, also besonders das Bild-Imperium, vom Informationsfluß abgeschnitten. Keine Schlagzeilen über/mit Schalke. Schrecklich …

Nochmal: Das ist mehr als zwei Jahre her. Die etwas verspätete Botschaft hinter dem Text lautet also: Macht das nicht noch mal.

Kein Wunder, daß die Spieler dachten, sie seien Götter in Königsblau. Das Paradoxe: Mittlerweile sind die Spieler völlig abgehoben und meinen nun wie selbstverständlich, die eigenen beschimpfen zu dürfen. Wie wäre es mal mit einem Fan-Boykott?

Lassen wir das Klischee „Götter in …“ mal beiseite. Das vermeintliche Paradoxon ist im Sinne der Argumentation des Autors eben keines, sondern logische Folge. Götter dürfen ja wohl ihre Fans kritisieren …

„Fan-Boykott“ – nur zur Info: vorigen Freitag gab es einen. Seitens der Fans. Der allerdings nicht von allen Fans getragen wurde.

Oder ist ein Boykott der Fans durch die Mannschaft gemeint? Nun, den hat es ja, wenn man so will, vorigen Freitag abend gegeben: Die Mannschaft kam nach dem Sieg nicht in die Kurve. Durchaus nachvollziehbar.

Wie wär’s, wenn die Fans mal das Bild-Imperium boykottieren würden?

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3 Kommentare

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3 Antworten zu “Wenn ich Schalker in die Presse schau‘

  1. Online ist der Artikel nicht verfügbar.

    Doch ist er. Oder ist er jetzt. Wie auch immer.

    Ist mir auch schon aufgestoßen, dieser Quatsch. Ein wirklich wirrer Text, in dem völlig abstruse Zusammenhänge geknüpft werden. Aber jemand, der über Fußballfans schreibt, und dann die Formulierung „obwohl sie dadurch nichts mehr von ihren Lieblingen erfahren haben“ ist wohl eh gedanklich nicht ganz auf der Höhe. Ein Job bei Gala oder Bunte wäre da wohl passender.

  2. Pingback: Wenn ich Schalker in die Presse schau’ (2) « Täglich aus Berlin

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